Welche Pflichten hat der Anlageberater?

Geht man auf eine Bank oder einen Finanzdienstleister zu und wird man dort zu Anlagemöglichkeiten für einen bestimmten Geldbetrag beraten, dann obliegen dem Anlageberater grundsätzlich umfangreiche Beratungs- und Aufklärungspflichten.

Die Pflicht zur Beratung geht dabei weit über die ebenfalls bestehende Pflicht zur Aufklärung hinaus. Während sich die Aufklärung des Kunden durch den Anlageberater darauf beschränkt, dass dem Kunden zutreffende und vollständige Informationen über ein konkretes Anlageobjekt zur Verfügung gestellt werden, erfordert eine ordnungsgemäße Beratung des Kunden, dass der Anlageberater Renditeziele, Finanzverhältnisse und Risikobereitschaft des Kunden eruiert und diese Eckpunkte mit der von ihm empfohlenen Kapitalanlage in Deckung bringt.

§ 31 Abs. 3 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) definiert – aufsichtsrechtlich – die dem Anlageberater obliegende Aufklärungspflicht wie folgt:

Unter einer ordnungsgemäßen Beratung versteht § 31 Abs. 4 WpHG folgendes:

Inhalt und Umfang von Aufklärungs- und Beratungspflichten hängen vom Einzelfall, insbesondere von der Person des Kunden und von dem konkreten Anlageobjekt ab.

Es macht für den Umfang der Aufklärungs- und insbesondere Beratungspflichten also durchaus einen Unterschied, ob der Anlageberater mit einer 70jährigen Rentnerin konfrontiert ist, die in Geldangelegenheiten absolut unerfahren ist und ihre überschaubaren Ersparnisse für die weitere Altersversorgung anlegen will, oder ob er einem routinierten Kaufmann gegenübersitzt, der schon seit Jahren routiniert und erfolgreich mit Termingeschäften und Währungsswaps hantiert.

Der Anlageberater muss aber nicht nur die persönlichen Fähigkeiten und Interessen des Anlegers im Auge behalten, sondern die Beratung muss auch in Bezug auf das angebotene Anlageobjekt der konkreten Situation gerecht werden. Banken und Finanzdienstleister sind insbesondere verpflichtet, die dem Kunden offerierte Geldanlage selber einer kritischen Überprüfung hinsichtlich ihrer Tauglichkeit zu unterziehen. Dabei sind aktuell die Anforderungen an den Anlageberater beispielsweise bei Empfehlung von Bundesobligationen der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig geringer als bei Unternehmensanleihen zum Beispiel der National Bank of Greece S.A..

Die Beratungspflichten des Anlageberaters werden vom Bundesgerichtshof regelmäßig auf folgenden kurzen Nenner gebracht: Die Beratung muss sowohl anlegergerecht als auch objektgerecht sein.

Pflicht zur anlegergerechten Beratung

Bevor ein Anlageberater eine konkrete Geldanlageform empfiehlt, muss er sich über die Person, Wissensstand und die finanziellen Verhältnisse seines Kunden, dessen konkreten Anlageziele und die Risikobereitschaft des Anlegers informieren. Nur wenn der Berater diese Parameter abgefragt hat, ist er überhaupt in der Lage, dem Anleger aus dem Wust von Geldanlagen die für ihn passende heraus zu suchen und zu empfehlen.

Dabei darf der Anlageberater im Regelfall davon ausgehen, dass der Anleger tatsächlich beratungsbedürftig ist. So hat der BGH beispielsweise in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 betont, dass selbst ein durchaus geschäftserfahrener Rechtsanwalt und Notar mit Interesse an Börsentermingeschäften von seinem Bankberater über die „Eigenart und Risiken von Optionsgeschäften aufzuklären ist“ (BGH, Urteil vom 28.09.2004, XI ZR 259/03). Die berufliche Qualifikation des Anlegers alleine mindert also grundsätzlich nicht die Aufklärungs- und Beratungspflichten des Beraters.

Nicht aufklärungsbedürftig sind nach Meinung des BGH lediglich solche „Kunden, die über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen mit den beabsichtigten Geschäften verfügen oder sich, nicht ersichtlich unglaubwürdig, als erfahren gerieren und eine Aufklärung nicht wünschen“ (BGH a.a.O.). Eine Ausnahme von der grundsätzlich gegebenen Beratungsbedürftigkeit wird man aber allenfalls bei professionellen Anlegern wie zum Beispiel Pensionsfonds oder Versicherungen annehmen können.

Ein zentraler Punkt bei einer ordnungsgemäßen anlegergerechten Beratung ist die Ermittlung der Risikobereitschaft und der Risikofähigkeit des Kunden und insbesondere die Übereinstimmung der Anlageempfehlung mit diesen Parametern. So hat es der BGH in einer im Jahr 2011 veröffentlichten Entscheidung nicht ausreichen lassen, dass ein mittelständisches Unternehmen im Rahmen der Anlageberatung pauschal auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, dass bei dem von der beratenden Bank empfohlenen Anlageprodukt ein „theoretisch unbegrenztes Verlustrisiko“ bestehe.

Das oberste deutsche Zivilgericht hielt es vielmehr für angebracht, dass sich die beratende Bank im konkreten Fall „Gewissheit verschafft, dass (der Kunde) die … geschilderten Risiken des Finanzprodukts in jeder Hinsicht verstanden hat.“ … Hierfür hätte die Bank im entschiedenen Fall sicherstellen müssen, dass sich die Anlegerin bewusst ist, dass ihr Verlustrisiko - anders als das Verlustrisiko der Bank – „der Höhe nach nicht begrenzt ist und nicht nur theoretisch besteht, sondern bei entsprechender Entwicklung der Zinsdifferenz eine durchaus realistische Möglichkeit ist“ (BGH, Urteil vom 22.03.2011, XI ZR 33/10).

Pflicht zur objektgerechten Beratung

Der Anlageberater hat nach Ermittlung der konkreten persönlichen Verhältnisse und der Risikobereitschaft des Anlegers in einem zweiten Schritt den Anleger über das konkret ins Auge gefasste Anlageprodukt zu informieren und aufzuklären. Die Beratung muss sich dabei auf sämtliche Eigenschaften und Risiken beziehen, die für die Anlageentscheidung im Einzelfall wesentliche Bedeutung haben oder haben können.

Die Bank oder der Finanzdienstleister darf sich bei der Information und Aufklärung des Kunden nicht darauf beschränken, das zu wiederholen, was beispielsweise in einem Emmissionsprospekt des Produktanbieters über die Geldanlage wiedergegeben ist. Die Bank muss vielmehr eine Geldanlage, die sie empfehlen will, vorab selbstständig mit „banküblichem kritischen Sachverstand“ prüfen (BGH, Urteil vom 07.10.2008, XI ZR 89/07).

Die Information und Aufklärung des Kunden hat in einer allgemein verständlichen Sprache zu erfolgen. Sie hat zutreffend und vollständig zu sein und muss auch konkrete Hinweise über vorhandene spezielle Risiken des Anlageprodukts enthalten und kann gegebenenfalls auch durch Übergabe eines Emissionsprospekts des konkreten Anlageproduktes erfolgen.