Laufende Informationspflichten des Emittenten

Der Anbieter eines Wertpapiers oder einer Vermögensanlage kann sich nicht darauf beschränken, einen vor dem öffentlichen Angebot einen Veräußerungsprospekt zu erstellen. § 16 WpPG (Wertpapierprospektgesetz) und § 11 VermAnlG (Vermögensanlagegesetz) sehen vielmehr eine Prospektnachtragspflicht vor, wenn ein wichtiger neuer Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit in Bezug auf die im Verkaufsprospekt enthaltenen Angaben eingetreten ist.

Ob ein wichtiger neuer Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit der bereits veröffentlichten Angaben eingetreten ist, beurteilt sich aus der Sicht des Anlegers. Es ist demnach alles „wichtig“ oder „wesentlich“ was den Anleger bei seiner Entscheidung, eine bestimmte Kapitalanlage zu erwerben, beeinflussen kann. § 5 Abs. 1 WpPG enthält eine – nicht abschließende – Aufzählung derjenigen Umstände, die bei Änderung jedenfalls im Rahmen eines Nachtrags zu Prospekt veröffentlicht werden müssen. Danach ist der Anbieter einer Kapitalanlage insbesondere dann in der Pflicht, wenn es wesentliche Neuerungen zu Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, zur Finanzlage, zu Gewinn und Verlust oder zu den Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers gibt. Sobald einer Änderung auch nur eines dieser Umstände Auswirkungen auf die Beurteilung des Wertpapiers hat, besteht für den Anbieter die Pflicht, einen Nachtrag zu dem Verkaufsprospekt bei der BaFin zur Billigung einzureichen und nach erfolgter Billigung zu veröffentlichen.

Nicht zu verwechseln ist die Nachtragspflicht des § 16 WpPG und § 11 VermAnlG mit der so genannten Ad-hoc Pubizität nach § 15 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz), die bei Vorliegen der Voraussetzungen selbstständig neben der Nachtragspflicht für den Verkaufsprospekt steht.

Widerrufsrecht für Anleger

Die Prospektnachtragspflicht erfüllt vorzugsweise eine Anlegerschutzfunktion. Anleger sollen ihre Anlageentscheidung auf Grundlage zutreffender und vollständiger Informationen treffen. Diese Vorgabe kann nur ein aktueller und inhaltlich richtiger Verkaufsprospekt erfüllen. Um einen Anleger nicht an Kaufentscheidungen zu binden, die unmittelbar nach Veröffentlichung eines Nachtrags getätigt wurden, sieht § 16 WpPG und § 11 VermAnlG für den Anleger ein Widerrufsrecht vor.

Für Wertpapiere nach dem WpPG gilt folgendes Widerrufsrecht:

Betrifft der Nachtrag einen Prospekt für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren, haben Anleger, die vor der Veröffentlichung des Nachtrags eine auf den Erwerb oder die Zeichnung der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung abgegeben haben, das Recht, diese innerhalb einer Frist von zwei Werktagennach Veröffentlichung des Nachtrags zu widerrufen, sofern der neue Umstand oder die Unrichtigkeit gemäß Absatz 1 vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots und vor der Lieferung der Wertpapiere eingetreten ist.

Für Vermögensanlagen nach dem VermAnlG lautet das Widerrufsrecht wie folgt:

Anleger, die vor der Veröffentlichung des Nachtrags eine auf den Erwerb oder die Zeichnung der Vermögensanlagen gerichtete Willenserklärung abgegeben haben, können diese innerhalb einer Frist von zwei Werktagennach Veröffentlichung des Nachtrags widerrufen, sofern noch keine Erfüllung eingetreten ist.

Entscheidend für die Möglichkeit eines Widerrufrechtes ist demnach sowohl bei Wertpapieren als auch bei Vermögensanlagen, dass die zugrunde liegenden Verträge nicht bereits erfüllt, also die Wertpapiere an den Anleger geliefert, sein dürfen.

Wird pflichtwidrig die Veröffentlichung eines Nachtrags zum Verkaufsprospekt vom Anbieter nicht vorgenommen, so steht neben Schadensersatzansprüchen der Anleger auch die Verwirklichung des Straftatbestandes des Kapitalanlagebetruges nach § 264a StGB (Strafgesetzbuch) im Raum.