Die von den Gerichten entwickelte Prospekthaftung

Gerichte sahen in der Vergangenheit insbesondere bei der Beteiligung von Kapitalanlegern an Publikums-Kommanditgesellschaften mangels spezialgesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine richterrechtlich begründete Haftung für fehlerhafte Anlageprospekte.

Es wurde von den Gerichten zwischen der so genannten „Prospekthaftung im engeren Sinn“ und der „Prospekthaftung im weiteren Sinn“ unterschieden. Erstere begründet Haftungsansprüche gegenüber denjenigen Personen, die für den Prospekt im Einzelfall verantwortlich zeichnen. Die Anwendbarkeit der richterrechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinn dürfte jedoch seit dem Inkrafttreten spezialgesetzlicher Haftungsnormen (§ 21 WpPG und § 20 VermAnlG) für aktuelle Fälle überflüssig geworden sein. Ein Rückgriff auf ungeschriebenes Richterrecht ist bei Haftungsansprüchen gegen die für den Prospekt unmittelbar verantwortlichen Personen nicht mehr notwendig.

Anwendbar bleibt jedoch weiterhin die von den Gerichten geschaffene Prospekthaftung im weiteren Sinn. Eine solche Haftung kann all diejenigen Personen treffen, die zwar nicht unmittelbar für den Inhalt des Verkaufsprospektes einer Kapitalanlage verantwortlich sind, sich jedoch den Prospekt für ihre Zwecke zu Nutze machen und gegenüber dem Anleger auch eine besondere Vertrauensstellung innehaben.

Die Prospekthaftung im weiten Sinn zielt insbesondere auf Anlageberater und Anlagenvermittler ab. Immer dann, wenn Banken oder Finanzdienstleister im Rahmen ihrer Tätigkeit bei dem Anleger den Eindruck erwecken, den konkreten Anlageprospekt inhaltlich geprüft zu haben, sind sie auch für Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektinhalts verantwortlich. Das gilt selbstverständlich umso mehr, wenn sie sich gegenüber dem Anleger vertraglich verpflichtet haben, eine Anlageobjekt anhand des vorliegenden Prospekts zu überprüfen.

Anlagevermittler und Anlageberater haben aber nach der Rechtsprechung jedenfalls immer ein von ihnen favorisiertes „ Kapitalanlagekonzept anhand des hierzu zur Verfügung stehenden Prospekts auf innere Plausibilität …, insbesondere (aber) auf wirtschaftliche Tragfähigkeit hin,“ zu überprüfen. „Bei fehlender Plausibilität müsse er Nachforschungen anstellen oder den Kapitalanlageinteressenten über Informationslücken unterrichten“ (BGH, Urteil vom 13.01.2000, III ZR 62/99).

Kommen Anlageberater oder Anlagevermittler dieser Pflicht nicht nach und enthält der Prospekt Unrichtigkeiten oder Lücken, dann kommt ein Haftungsanspruch nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Frage.

Eine solche Haftung wegen unterlassener Aufklärung kann neben Anlageberatern oder Anlagevermittlern auch Gründungsgesellschafter einer Publikums-Kommanditgesellschaft treffen (BGH, Urteil vom 14. Juli 2003, II ZR 202/02).